4.2 Kosten und Nutzen von Verhalten
Wenn wir das Verhalten der Amsel aus ultimater und proximater Perspektive beleuchten, haben wir bereits ein recht gutes Verständnis davon, warum dieses Verhalten auftreten könnte. Während die proximaten Erklärungsansätze der Frage nachgehen, wie ein Verhalten funktioniert und dabei auf die unmittelbaren (zellulären) Mechanismen fokussieren, widmet sich die ultimate Betrachtung der Frage, warum sich dieses Verhalten über viele Generationen hinweg langfristig entwickelt hat. Es geht also um die Funktion des Verhaltens im evolutiven Kontext.
Im Zusammenhang mit den ultimaten Ursachen von Verhalten betrachten wir oft sowohl die Kosten als auch die Nutzen, die ein bestimmtes Verhalten oder Merkmal für das Individuum mit sich bringt.
Ein klassisches Beispiel dafür sind die auffälligen Federn des männlichen Pfaus (Abb. 4.2). Auf den ersten Blick ist klar, wen er mit diesem imposanten Gefieder beeindrucken möchte: Pfaue zeigen dieses Verhalten im Rahmen des Balzverhaltens, um Weibchen auf sich aufmerksam zu machen.

Abbildung 4.2: Die Federpracht des Pfaus (Pavo cristatus).
Besonders grosse und symmetrische Federn gelten bei Weibchen als attraktiv. Sie erhöhen somit die Fortpflanzungschancen des Männchens und sind daher ein klarer evolutionärer Nutzen. Gleichzeitig sind diese Federn mit erheblichen Kosten verbunden: Sie erschweren die Flucht vor Fressfeinden und machen das Tier auffälliger. Zudem erfordert ihr Aufbau und ihre Pflege viel Energie, die dem Tier an anderer Stelle, etwa bei Nahrungssuche oder Immunabwehr, fehlen kann.
◑ Aufgabe 4. Die grossen Federn des Pfaus gehen also auch mit signifikanten Kosten für das Verhalten einher. Warum könnte genau dies für die Weibchen eine attraktive Ausstrahlung haben?
◑ Aufgabe 5. Machen Sie eine Kosten-Nutzen-Analyse des Amselgesangs, den wir im Kapitel 4.1 besprochen haben. Gehen Sie auf mindestens einen Nutzen und einen Kostenpunkt ein.
● Aufgabe 6. Im Zusammenhang mit der Kosten-Nutzen-Analyse spricht man häufig vom Optimalitätsprinzip. Überlegen Sie sich, was darunter gemeint sein könnte und erarbeiten Sie eine Definition dieses Prinzips.